Da bin ich wieder, „Weiser Weissbart“, mit einer neuen Geschichte für euch. Dieses mal stehen die Bienen im Mittelpunkt. Beim Umgang mit ihnen ist für alle von uns aus dem Kleinen Volk Vorsicht geboten, denn sie sprechen keine Sprache, zumindest keine mit Worten. Wir können uns also nicht mit ihnen unterhalten. Ihre Sprache besteht aus getanzten Botschaften, die nur einer von uns allen beherrscht: „Bienentänzer“ von denen „Die in der Luft schweben“.
„Bienentänzer“ ist etwas anders als die meisten seines Volkes, er ist ruhiger, verträumter und nachdenklicher als seine eher verspielten Kollegen. Er hat die Tanzsprache der Bienen gelernt und kann sich so ohne in Gefahr zu geraten sogar in ihren Bienenstock wagen. Eines Tages kam er ganz aufgeregt zu mir: „Weiser Weissbart, ich war gerade bei den freien Bienen und es ist ganz schrecklich, ihre Königin „WeideSummSumm“ ist krank, sehr krank.“ Was fehlt ihr denn?“, fragte ich ihn. „Sie ist fast am ganzen Körper von einer pelzigen Schicht bedeckt, von winzig kleinen Wesen. Sie kann sich nicht mehr bewegen und ist ganz schwach.“
Ich fragte ihn nach ein paar mehr Einzelheiten und dann wusste ich, was zu tun war. Aber es war schwierig „Weißt du, wenn sich die Ameisen bedroht fühlen verspritzen sie einen Strahl, der einem ganz doll auf der Haut brennt. Aber lass mich mal in Ruhe nachdenken, denn wenn wir die Ameisen ärgern, um an diesen besonderen Saft zu kommen, werden sich viele von uns verletzen. Sie würden uns auch beißen.“ Ich ging einen Moment in mich, es musste doch eine bessere Möglichkeit zur Rettung der Bienenkönigin geben. Dann fiel es mir wieder ein: „Es gibt da eine Raupe, die Larve des Großen Gabelschwanzes. Wenn man die ärgert, versprüht sie einen Strahl derselben Flüssigkeit wie die Ameisen. Aber diese Flüssigkeit hilft auch gegen die Krankheit der Königin.“ „Und wo kann ich diese Raupe finden?“, fragte „Bienentänzer. „Du findest sie leicht am Flussufer, sie ist leuchtend grün, hat einen gegabelten Schwanz und ein rotes Maul. Sie ist ungefähr so groß wie wir. Aber du wirst Hilfe von zwei, besser drei anderen deines Volkes brauchen.“
„Wieso das?“, wollte „Bienentänzer“ wissen. „Diese Flüssigkeit ist für uns sehr unangenehm, sie kann uns sogar gefährlich werden. Einer von euch muss einen Eichelhut tragen, um die Flüssigkeit aufzufangen, die anderen sollten die Raupe ärgern und ablenken. Aber seid ganz vorsichtig und lasst euch nicht bespritzen!“, warnte ich ihn. „Bienentänzer“ flog los um seine Mitstreiter zu suchen und sich dann mit ihnen auf die Suche nach der Raupe zu machen.
Nach ein paar Versuchen entdeckten sie sie auf einem dickem grünen Blatt, das schon einige Löcher aufwies. Die Raupe war am fressen. Seine drei Mitstreiter pieksten die Raupe von der Seite und von hinten mit kleinen Stöcken, während „Bienentänzer“ vor ihr mit dem Eichelhut auf und ab tanzte. Schon nach kurzer Zeit spritzte die Raupe ihren Strahl ab und der geschickte „Bienentänzer“ fing ihn mit dem Eichelhut auf, ohne einen Spritzer abzubekommen. Schnell flogen die vier wieder zurück zu „Weiser Weissbart“.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte „Bienentänzer“. „Nun kommt der schwierige Teil, den nur du schaffen kannst“, antwortete ich. „Zunächst einmal musst du in den Bienenstock und den Bienen erklären, dass die Königin alleine in einem Raum sein muss. Dann stellst du den Eichelhut mit der Säure ab, die verdunstet langsam und so nach einem Tag sollte die Königin nicht mehr von den kleinen Milben befallen sein.
„Das sollte ich schaffen“, meinte „Bienentänzer“ zuversichtlich und machte sich auf den Weg zum Bienenstock. Der war in einer Weide, denn „WeideSummSumm“ war eine freie Bienenkönigin. Die meisten hier lebenden großen Bienenvölker nannten wir „Riesenbienen“, nicht weil sie so groß waren, sondern weil sie in eckigen Wohnungen lebten, die ihnen die Riesen gebaut hatten und die sie dort auch versorgten. Dafür nahmen sie ihnen ein Großteil des Honigs weg. Als Ersatz gab es Zuckerwasser oder ähnliches. „WeideSummSumm“ hatte eines Tages beschlossen lieber mit einem kleineren Volk aber in Freiheit zu leben.
Sobald „Bienentänzer“ sich dem Bienenstock näherte, kamen die Wächter auf ihn zugeflogen. Jeden anderen hätten sie angegriffen, um ihn zu vertreiben, aber „Bienentänzer“ tanzte sein Anliegen vor und die Wächterbienen ließen ihn in den Stock. Es ging vorbei an den Bieneneiern, den Waben in denen die Larven gefüttert wurden, bis zu einer speziellen Kammer, in der Königin stumm vor sich hin litt.
Er stellte den Eichelhut mit der Säure an einem sicheren Ort ab, tanzte eine Ehrerbietung an die Königin (man sollte ja immer die Form wahren) und machte sich dann auf den Rückweg an die frische Luft. Gerade für einen von denen „Die in der Luft schweben“ war so ein Bienenstock doch recht stickig.
Am nächsten Tag, es wurde schon so langsam dunkel, besuchte er mich wieder und brachte einen halben Eichelhut voll mit leckerem Honig mit. „Das ist die Hälfte von dem, was die Bienen mir für die Rettung ihrer Königin geschenkt haben. Ohne dein Wissen wäre es echt schwierig geworden. Denn die Ameisen, die auch diese Säure verspritzen, hätten uns wohl arg zugesetzt wenn wir es bei ihnen versucht hätten.“ „Da hast du wohl recht“, meinte ich. „Bis demnächst dann mal und danke, das Du an mich gedacht hast.“
Natürlich habe ich den Honig nicht für mich behalten, wir alle „Die in den Bäumen leben“ hatten eine ganze Zeit etwas von dieser für uns sehr seltenen Leckerei. Hilfsbereitschaft lohnt sich auch für den Magen.
So, tschüß erstmal und bald gibt es wieder eine neue Geschichte für euch.
Text: Michael Dodt, Zeichnungen: Manuela Tolksdorf