Der Feuersalamander

Hallo, ich bin’s wieder, „Weiser Weissbart“. Und ich habe wieder eine Geschichte für euch. Diesmal stehen „Die auf Molchen und Fröschen reiten“  im Mittelpunkt. Sie sind ganz anders als wir, „Die in den Bäumen leben“. Uns erscheinen sie sehr eitel, da sie sehr stolz auf ihre schlanke Figur und ihre schönen langen Haare sind, sich meist nur sehr knapp bekleiden und einem  Kommentare über ihr Aussehen sehr übel nehmen. Dafür betrachten sie uns als verschroben, nennen uns dick, weil wir durchaus stolz auf ein kleines Bäuchlein sind, das uns vor allem hilft gut über den Winter zu kommen.

Aber genug davon, ich beginne mit der Geschichte. „Schönbein“, die schulterlange blonde Locken hatte und „Glanzhaar“, die lange glatte schwarze Haare ihr eigen nannte, zwei  junge Frauen der „Die auf Molchen und Fröschen reiten“ und die sich für die allerschönsten hielten, entdeckten eines Tages am Libellenweiher ein Wesen, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatten. Ähnlich wie die ihnen bekannten Molche, aber etwas größer und mit eine schwarz-gelben Haut. „Hey, wer bist du denn?“, fragte ihn „Schönbein“. „Ich bin „Kleiner Drache“, ein Feuersalamander“, antwortete der Lurch. „Und wo kommst du her, wir haben so ein Wesen wie dich hier noch nie gesehen“, wollte „Glanzhaar“ wissen.

„Ich komme aus einem großen Glaskasten, ein kleiner Riese hielt mich dort gefangen. Und nun wollte er mich nicht mehr und hat mich hier ausgesetzt“. „Das ist traurig für dich, aber immerhin bist du jetzt frei, dürfen wir auf dir reiten“, wollten die beiden wissen. „Lieber nicht, ihr würdet euch verletzen“, lehnte „Kleiner Drache“ ab. „Und ….“ „Papperlapapp. Wir sind beide erfahrene Reiterinnen“, unterbrach ihn Glanzhaar und schwang sich auf den Rücken des Feuersalamanders. Sie war von Hals bis zu den Füßen mit einem sehr enganliegenden Anzug aus gegerbter Ringelnatterhaut bekleidet, die übrigens die „Steinernen“ herstellen, denn obwohl sie diese Kleidung liebte, würde keine und auch keiner der „Die auf Molchen und Fröschen reiten“ jemals den dabei entstehenden Gestank ertragen. „Glanzhaar“, die nur ein paar Stücke aus fein genähtem Stoff aus Schilf und Wasserlilien trug, schwang sich hinter ihr auf den Lurch.

„Na gut“, murmelte „Kleiner Drache“, „ihr habt selbst schuld“, und krabbelte los. Laut feuerten die beiden jungen Frauen ihn an: „Los, schneller, wir fallen schon nicht runter“. „Ne, ihr springt gleich ab“, antwortete „Kleiner Drache“ und er behielt recht. „Au, was juckt denn da so und nun brennt es auch auf der Haut“, jammerte „Schönbein“ und sprang herab. „Hilfe, meine Beine sind ja ganz rot und pustelig“. Jetzt sprang auch „Glanzhaar“ ab und jammerte ebenfalls: „Aua aua, meine Füße brennen auch ganz doll!“ Auch die waren bereits gerötet und pustelig. „Hilfe, aua, das juckt und brennt ganz fürchterlich“, beklagten sich die beiden weiter. „Ihr hättet mich eben ausreden lassen müssen“, bemerkte der Feuersalamander.

Und jetzt komme ich, „Weiser Weissbart“, ins Spiel. Ein Bote  der „Die auf Molchen und Fröschen“ reiten kam zu mir und berichtete, was den beiden jungen Frauen zugestoßen war. Ich wusste natürlich, was zu tun war. Auf der großen Wiese wuchs der Spitzwegerich, eine Pflanze, die Linderung und Heilung bot. Ich suchte vorsichtig die Wiese nach ihm ab, denn man weiß ja nie wer einen alles auf so einer recht offenen Fläche beobachtet. Als ich die Heilpflanze gefunden hatte, schnitt ich mit meinem Steinmesser ein Blatt der Pflanze ab. Wenn man das Blatt zerreibt, kann man etwas Saft gewinnen, der „Glanzhaar“ und „Schönbein“ Linderung verschaffte, aber vor allem „Schönbein“ mit ihren langen, fast nackten Beinen quengelte noch ziemlich lange vor sich hin.

Nun kümmerte ich mich um „Kleiner Drache“, der zwar bei uns hätte bleiben können, aber ohne Artgenossen wohl sehr einsam wäre. Ich wusste, dass es ganz im tief Süden, weit hinter dem großen Fluss, noch Wesen seiner Art gab. Aber wie konnte er dort hingelangen? Schwimmen ging nicht, weil es keine durchgehende Verbindung aus Wasserwegen gab. Auf den Beinen ging es auch nicht, der Weg war viel zu weit und führte lange durch das gefährliche Gebiet der Riesen. Also blieb nur der Weg durch die Luft. „Die in der Luft schweben“ konnten aber so eine große Last nicht tragen.

Was also nun? Ich dachte kurz an „Nimmersatt“, den Reiher, aber ich war mir nicht sicher, ob er der Versuchung widerstehen konnte, den Feuersalamander zu fressen. Auch wenn ihm das den Mund verbrennen würde. Dann fiel mir aber zum Glück „Fliegt gern weit“ ein, eine Kanadagans, die uns gelegentlich besuchte. Sie war stark genug, „Kleiner Drache“ bis zu den Bergen hinter dem großen Fluss zu fliegen. Gedacht, getan. „Fischbrötchen“, eine Lachmöwe, machte sich auf die Suche nach „Fliegt gern weit“.

Schnell hatte sie die Kanadagans gefunden und kehrte zusammen mit ihr zurück. Damit sie sich nicht auch verbrannte wickelten wir den Feuersalamander noch in ein paar große, feuchte  Blätter. „Ich danke euch für eure Hilfe, nun bin ich endlich frei und treffe andere meiner Art“, bedankte sich „Kleiner Drache“  überschwänglich. Und schon erhoben sich die beiden in die Luft und entschwanden Richtung Süden.

So, das war das ganze Abenteuer. Naja, fast, für „Glanzhaar“ und vor allem „Schönbein“ dauerte das Brennen und Jucken noch etwas länger.

Bis bald, dann gibt es eine neue Geschichte.

Text: Michael Dodt, Zeichnungen: Manuela Tolksdorf