Der verträumte Kranich

Ich, „Weiser Weißbart“, habe wieder eine neue Geschichte für euch. Es geschah im letzten Herbst, die Jahreszeit, die wir vom Kleinen Volk auch die Zeit der bunten Blätter nennen. Es wurde schon langsam dunkel, als plötzlich ein sehr großer Vogel recht dicht über mich hinweg flog. Er schien auf der Leckerwiese landen zu wollen. Kurz danach hörte ich seine lauten Rufe. „Oh nein, ich habe die anderen verloren. Was soll ich denn jetzt hier ganz alleine machen?“

Ich ging dem Klang seiner Stimme nach und fand ihn mitten zwischen den Obstbäumen. „Nicht erschrecken, ich bin’s nur,  „Weiser Weißbart“ aus dem Clan „Die in den Bäumen leben“, sagte ich. Ein bisschen erschrak er doch, dabei war er so groß wie zehn von uns. „Oh, da unten bist du. Ich bin „Traumtänzer“, ein junger Kranich“, stellte er sich vor. „Und was machst du hier so ganz alleine?“, wollte ich wissen.

„Oh, das ist eine traurige Geschichte“, antwortete er. „Ich war mit meiner Familie und vielen anderen Kranichen auf dem Weg in unser Winterquartier. Aber dann habe mich von einer Schar Graugänse ablenken lassen, die ganz viel schnatterten und ich bin sehr neugierig. Als ich dann wieder zu den anderen wollte, waren sie schon weg. Also habe ich mir diesen Landeplatz gesucht, denn ich mag nicht alleine im Dunkeln fliegen.“

„Ach, aber so schlimm ist das doch nicht. Dann wartest du bis zum Sonnenaufgang und fliegst den anderen nach“; versuchte ich ihm Mut zu machen. „Aber ich kenne den Weg nicht, es mein erstes Mal. Ich weiß, wir fliegen nach den Kraftlinien der Erde, dem Stand der Sonne und der Sterne oder der Landschaft unter uns. Aber ich habe noch keine Ahnung wie das genau geht, das muss ich erst noch von den Älteren lernen.“

Ich überlegte kurz. „Na gut, dann fliegst du morgen mit den ersten Kranichen, die vorbei kommen, weiter.“ „Ich weiß nicht, mit lauter Fremden“, quengelte „Traumtänzer“. „Nun schlaf erst mal“, antwortete ich. „Morgen früh sehen wir weiter.“ „Na gut“, stimmte er mir zu. Er steckte den Kopf zwischen seine Federn und ich machte mich auf den Weg zu meinem Bett.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, regnete es und es wehte ein starker Wind. Nach einem leckeren Frühstück und einer Tasse Tee machte ich mich auf den Weg  zu „Traumtänzer“. „Na, hast du gut geschlafen“, fragte ich ihn. „Es ging so“, kam zur Antwort. „Aber ich habe schon ein paar Schnecken und Regenwürmer zum Frühstück gefressen. Bei dem starken Wind aus der falschen Richtung  können wir nicht fliegen, es werden also auch keine anderen Kraniche vorbei kommen. Was soll ich denn jetzt machen?“

„Warte mal ab, uns fällt schon etwas ein. Wie sieht es denn dort aus, wo ihr die kalte Jahreszeit verbringt?“, wollte ich wissen. „Ich war ja noch nie da, aber die anderen erzählten von vielen Eichen, steinbedeckten Hügeln, Reisfeldern und viel Wasser. Und es gibt dort ganz wenig von denen, die ihr Riesen und wir „Viel-zu-viele“  nennen. Und es ist dort viel wärmer als in unserem Sommerquartier.“

„Hast du denn schon einmal mit den Riesen zu tun gehabt?“, fragte ich ihn. „Au ja, schau dir die Ringe um meine Beine an. Sie haben mich und meine Schwester „Naseweis“ eingefangen, als wir noch nicht fliegen konnten. Unsere Eltern sind weggeflogen, wir zwei haben uns versteckt. Aber sie haben uns erwischt und diese Ringe um unsere Beine gemacht. Am linken Bein bei uns beiden  rot-schwarz-rot, am rechten bei mir nur schwarz. Meine Schwester hat am rechten Bein blau-rot-orange. Es hat nicht wehgetan, aber wozu das gut sein soll wissen nur die „Viel-zu-viele.“

Tja, das konnte ich mir auch nicht erklären, aber die Riesen machten viele merkwürdige Dinge. Leider wehte der Wind noch mehrere Tage recht stark, also nutzten wir die Zeit, um uns Geschichten zu erzählen. „Traumtänzer“ berichtete vom Land seiner Geburt, wo es viele Seen und wenig Riesen gab. Aber dafür Bären, Wölfe, Elche und viele andere Tiere, die es hier gar nicht oder nur ganz selten gab. Aber er wurde immer unruhiger, je länger der starke Wind anhielt. Dann fiel mir etwas ein.

Ich wusste von einem Ort hier ganz in der Nähe, wo seit einigen kalten Jahreszeiten die Kraniche nicht mehr wegflogen. Hier war es die letzten Jahre meistens warm genug, so dass sie hier bleiben konnten. Ich erzählte ihm davon und er überlegte kurz. „Das klingt gut, aber wie soll ich den finden“; wollte er wissen. „Hmm, ich könnte auf deinem Rücken mitfliegen, aber für einen vom Kleinen Volk dauert der Rückweg ewig“, antwortete ich. Dann fiel mir „Fliegt gern weit“, die Kanadagans ein. „Ich weiß da jemand, der dir den Weg zeigen kann und der schnell wieder hier ist.“

Ich hatte sie erst heute Morgen gesehen, am Libellenteich, wo sie uns manchmal besuchte. Jetzt war es auch für sie zu windig, um weiter zu fliegen. Ich machte mich auf den Weg zu ihr und erzählte ihr von „Traumtänzers“ Problem. „Klar, sobald der Wind etwas nachlässt, kann ich ihm den Weg zeigen“, sagte sie. „Das mache sogar sehr gerne, ich bin noch nie mit einem Kranich geflogen.“

„Traumtänzer“ war auch begeistert und so machten sie sich ein paar Tage später auf den Weg. So, das war’s mal wieder bis bald mit einer neuen Geschichte.

Illustrationen: Manuela Tolksdorf, Text. Michael Dodt

Die vielen Gesichter des Herbstes

Der Herbst ist nicht nur die Zeit der bunten Blätter,

der heftigen Stürme

und des Nebels,

sondern auch der Spätblüher,

der Pilze

und viele Obstsorten, die jetzt geerntet werden können.

Die Zugvögel ziehen in wärmere Gefilde

und die Eichhörnchen sammeln Vorräte für den nahenden Winter.

Auch bei uns auf dem Naturerlebnispfad gibt es jetzt ganz viel zu entdecken.

Text und Fotos Michael Dodt

Die Froschhochzeit

Da bin ich wieder, „Weiser Weißbart“ mit einer neuen Geschichte für euch. Es ist schon einige Sommer her, als es eine lange Zeit bei uns nicht mehr geregnet hatte. Der Fluss war nur noch ein Rinnsal, auch unsere Teiche wären schon längst fast ausgetrocknet, wenn sie nicht von den Riesen mit frischem Wasser versorgt worden wären. Viele vom „Kleinen Volk“ fragten mich, ob ich eine Idee hätte, was wir dagegen unternehmen könnten. Ich musste ganz schön lange nachdenken, bis mir etwas einfiel.

Dann erinnerte ich mich an eine alte Geschichte, die mir die „Reisenden“ erzählt hatten. In einem weit entfernten Land regnete es oft lange nicht. Die dort lebenden Clans hatten ein Ritual, mit dem sie die Geister von Wasser und Luft beschworen, damit sie sich vereinigten und es regnete. Das wirkte so gut, dass es sogar von den Riesen angewendet wurde. Ich kochte mir eine Kanne Tee und versuchte mir in Erinnerung zu rufen, wie es genau ausgeführt wurde.

Nach und nach fiel mir alles wieder ein. Wir brauchten dazu zwei Frösche, bunte Blütenblätter, Kurkumapulver, ein Gewürz aus einer gelben Wurzel und ganz viel Musik. Ich berief eine Versammlung aller Clans ein und wir machten uns an die Vorbereitung des Rituals. „Schönbein“ und „Glanzhaar“ kümmerten sich um die Frösche, „Bienentänzer“ machte sich mit ein paar Helfern auf die Suche nach passenden Blüten, „Die in der Luft schweben“ übernahmen die Musik und die „Steinernen“ bauten alles Nötige auf. Für das Kurkumapulver sorgten „Die unter der Erde wohnen“ und die sorgfältige Durchführung des Rituals war meine Aufgabe.

Am Libellenteich überredeten die beiden jungen Frauen „Quaktasche“ und „Sprungbein“, zwei Grasfrösche, sich für die Hochzeit zur Verfügung zu stellen. Allerdings verlangten die beiden als Belohnung einen Sack voller Fliegen. Also bat ich einige von uns, „Die in den Bäumen leben“, diese Aufgabe zu erledigen. Dann machte ich mich auf den Weg zum Schattenweiher, um mich auf das Ritual vorzubereiten.

Dort hatten bereits die „Steinernen“ mit dem Aufstellen von Sitzbänken für die Älteren unter uns begonnen, dazu errichteten sie eine provisorische Bühne für die Musiker. Mitten in dem Teich blühte eine wunderschöne rosa Seerose, das perfekte Zentrum für unsere Zeremonie. Nach und nach trafen alle ein und versammelten sich um den Schattenweiher. „Schönbein“, „Glanzhaar“, die zwei Frösche und ich kletterten über die Seerosenblätter bis zur rosa Blüte. Dort rieben die beiden Frauen die „Quaktasche“ und „Sprungbein“ mit dem Kurkumapulver ein und schmückten sie mit den Blütenblättern. Dann gesellte sich auch „Vierflügel“ zu uns, die den Gesang übernehmen wollte.

Auf mein Zeichen begannen die Musiker zu spielen, eine langsame und traurige Melodie, deren Wirkung perfekt von der Stimme der Sängerin verstärkt wurde. Nach dem Lied begann ich mit meiner Anrufung unserer Helfer, wobei mich immer schneller werdende Trommeln unterstützten. „Oh ihr Geister von Luft und Wasser, wir bitten euch um eure Hilfe. Vereint euch und bringt uns den lange ersehnten Regen. Wir und alle Wesen auf Mutter Erde brauchen ihn dringend. Bitte schenkt ihn uns und nehmt unseren Segen an.“

Dann begannen wieder die Musiker zu spielen, „Vierflügel“ stimmte ihren wunderbaren Gesang an, wobei die Lieder langsam immer schneller und fröhlicher wurden. Viele von uns fingen an zu tanzen, manche alleine oder zu zweit, aber es bildeten sich auch einige Reigen. Dann erschienen tatsächlich die ersten Wolken am Himmel, erst nur wenige, aber es wurden immer mehr. Und sie wurden immer dunkler. Als die Musik ihren Höhepunkt erreichte, fielen auch die ersten Regentropfen. Erst waren sie ganz fein, aber sie wurden schnell immer dicker. Wir alle jubelten laut und ich bedankte mich in Gedanken bei den Geistern von Luft und Wasser.

Der Regen wusch den beiden Frösche ihren Schmuck ab und wurde so stark, dass wir uns fast alle unterstellten. Außer einige von denen „Die auf Fröschen und Molchen reiten“, die liebten Wasser mehr als wir anderen und genossen das kühlende Nass. Aber wir waren alle glücklich und zufrieden. Es regnete so lange, bis sogar der fast ausgetrocknete Fluss wieder ein kleiner Bach wurde.

Wir genossen unseren Erfolg und feierten noch einige Zeit, aber dann machten sich nach und nach machten alle wieder auf den Weg nach Hause. Nass aber erleichtert, dass unser Ritual uns den ersehnten Regen gespendet hatte. So, das war’s für dieses Mal bis bald mit einer neuen Geschichte.

Illustrationen: Manuela Tolksdorf, Text: Michael Dodt

Hilfe für die Erdhummelkönigin

Ich bin’s mal wieder; „Weiser Weißbart“ mit einer neuen Geschichte für euch. Erinnert ihr euch noch an die letzte Erzählung, ein seltsamer Fund? Ein paar Tage nach diesen Ereignissen fand ich am frühen Morgen nach einem starken Regen eine klatschnasse Erdhummel. Ich beschloss ihr zu helfen und machte mich auf die Suche nach ein paar Blättern um sie trocken zu reiben. Nachdem das erledigt war, suchte ich noch ein Plätzchen in der Sonne für sie, damit sie sich aufwärmen konnte.

Aber ich konnte nicht mit ihr sprechen, da sich die Hummeln über ihr Summen und Brummen verständigen. Also machte ich mich auf den Weg zu „Bienentänzer“,  einem aus dem Clan „Die-in-der-Luft-schweben.“  Der konnte sich über den Schwänzeltanz mit den Bienen verständigen, vielleicht schaffte er das ja auch mit der Erdhummelkönigin.  Nachdem ich ihn entdeckt  hatte, fragte ich ihn: „Ich habe heute Morgen eine durchnässte Erdhummelkönigin gefunden, weiß aber nicht ob sie noch Hilfe braucht. Ich habe sie schon abgetrocknet und zum Aufwärmen in die Sonne geschafft. Kannst du dich mit ihr verständigen?“  „Leider nein, mit Hummeln kann auch ich nicht sprechen“, antwortete er. „Da kann ich dir nicht helfen.“ Nun war guter Rat teuer.

Zufällig flog „Vierflügel“ vorbei, eine aus demselben Clan wie „Bienentänzer“. Ich erzählte ihr von unserem Problem. „Oh, ich glaube da kann ich euch helfen“, sagte sie. „Du kannst die Sprache der Hummeln?“, wunderte ich mich. „Ach nein, aber ich kenne da jemanden“, antwortete sie. „Grimmbart, einer von den „Steinernen.“ „Und der kann mit den Hummeln sprechen?“, fragte ich ungläubig. „Er brummt und summt fast nur“, sagte sie grinsend. „und spricht so fast nie in ganzen Sätzen. Ich fliege los um ihn zu holen.“

Wir mussten ein bisschen warten, aber dann kamen die beiden wieder bei uns an. „Grimmbart“ setzte sich vorsichtig zu der Erdhummelkönigin und ein lautes Brummen und Summen begann. Nach einiger Zeit stand der „Steinerne“ auf: „Ihr Bau überflutet, Brut vernichtet. Viel nass, neues Zuhause.“ Er sprach wirklich nicht viel. „Dann braucht sie also einen neuen Bau“, sagte ich. „Wir helfen ihr. „Kurzschwanz“, die Rötelmaus, ist doch umgezogen. Ihr Bau ist jetzt frei und auch sicher vor Überflutungen.“

Wieder begann das summen und brummen. „Sie einverstanden und froh“, sagte „Grimmbart“ und verschwand. Mit Worten hatte er es wirklich nicht. Aber das wichtigste war, er hatte uns geholfen. Wir machten uns auf den Weg zu ihrem neuen Zuhause. Dort angekommen verschwand die  Erdhummel in ihrem neuen Bau, um ihn sich genau anzuschauen. Schließlich wusste sie am besten, was sie brauchte, um mit einer neuen Brut zu beginnen. Einige Zeit später kam sie wieder heraus, sie wirkte sehr zufrieden auf mich.

Auch die Lage des Baus war optimal. Hoch genug gelegen, um nicht überflutet zu werden. Und in der Nähe gab es genug Rotklee, Brombeeren und Klatschmohn, von deren Nektar und Pollen sie und später auch ihr Volk sich ernähren konnten.

Es gab sogar Tomaten, die schon blühten. Die Erdhummel flog zu einer von ihnen und biss sich an ihr fest. Was jetzt kam, hatte ich noch nie gesehen. Ihr ganzer Körper begann zu zittern. Hatte sie sich doch erkältet? Aber nein, durch ihr Zittern wurden die Pollen aus der Tomatenblüte geschleudert. Die saßen ganz besonders fest, aber mit diesem Trick kam die Erdhummelkönigin an ihre Nahrung heran. Ich sagte noch „Tschüß“, auch wenn sie mich nicht verstehen konnte. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Das war wirklich genug Aufregung für einen Morgen, jetzt war es Zeit für eine leckere und gemütliche Tasse Tee. Macht’s gut und bis zum nächsten Mal mit einer neuen Geschichte für euch.

Illustrationen: Manuela Tolksdorf, Text: Michael Dodt

Ein seltsamer Fund

Da bin ich wieder, „Weiser Weißbart“, mit einer neuen Geschichte für euch. Vor ein paar Tagen war ich mit einer Schubkarrenladung Frühblüher wie Schneeglöckchen, Märzensbecher und Narzissen auf dem Weg zu einem Freund, um damit seinen Garten zu verschönern. Plötzlich hörte ich Stimmen: „Was ist das denn für ein Ding?“ „Ich habe keine blasse Ahnung!“ Auf einem niedrigen Ast saß „Rundauge“, ein Waldkauz, vor ihm untersuchte „Langnase“, ein Igel, einen merkwürdig aussehenden Gegenstand. „Das riecht nach Leder“, sagte der Igel. „Und nach Riesen.“

Ich ließ die Schubkarre stehen und ging zu den beiden. „Darf ich mal schauen, ich glaube, ich habe so etwas schon einmal gesehen.“ „Aber ja“, antworteten die beiden. Ich untersuchte den Fund, der etwas doppelt so breit und lang war wie ich groß. Als ich auf seine Mitte drückte, stellte ich fest, dass er mit vielen recht harten Sachen gefüllt war. „Hmm, ich glaube ich weiß was das ist“, stellte ich fest. „Eine Geldbörse der Riesen. Aber wie geht das Ding auf?“ „Vielleicht hier an den Metallhaken, die kann man bestimmt auseinander ziehen“, sagte „Rundauge“. „Gute Idee“, antwortete „Langnase“. „Aber das schaffe ich mit meinen Pfoten nicht.“ „Dann lass es uns zusammen versuchen“, schlug ich vor. „Mit meinen Händen und deiner Kraft sollten wir es schaffen.“

Gesagt getan, und schnell war das Ding offen. Wir rüttelten ein bisschen daran herum und schon purzelten runde, teils glänzende und teils matte flache Scheiben heraus. „Wozu sind die denn gut?“, fragte der Waldkauz. „Ich glaube, die Riesen nennen das Münzen und tauschen es gegen Dinge ein, die sie brauchen“, antwortete ich. „Komische Art, aber halt Riesen“, kommentierte er. „Och sind die schön“, freute sich „Glanzhaar“. „Zumindest die funkelnden“, ergänzte „Schönbein“. Unbemerkt hatten sich die beiden aus dem Clan „Die auf Fröschen und Molchen reiten“ zu uns gesellt. „Daraus kann man tolle Möbel machen“ sagte die eine. „Und Spiegel, in denen wir uns bewundern können“, fügte die andere hinzu. „Und das Ding können wir als Sommerhaus für uns nutzen. Dürfen wir es haben?“ „Von mir aus“, antwortete der Igel. „Wenn ihr mir dafür im Herbst ein behagliches Winterquartier aus Laub und Moos baut.“ „Aber gerne doch“, stimmten die beiden Schönheiten zu.

Nachdem ich meine Blumen abgeliefert hatte, luden wir die matten Münzen auf die Schubkarre und transportierten sie zu den „Steinernen“, die sie auf Hochglanz polierten. Sie bauten auch die Möbel für die beiden Frauen. Nach ein paar Tagen war alles fertig, das Sommerhaus wurde zum kleinen Krautteich gebracht und die beiden richteten alles nach ihren Wünschen ein. „Heute ist es schon etwas zu spät“, stellte „Schönbein“ fest. „Aber morgen Abend seid ihr alle zu einem Fest eingeladen“, sagte „Glanzhaar.

Nachdem die beiden die Nacht in ihren Wohnungen verbracht hatten, machten sie sich gegen Mittag auf dem Weg zu ihrem Sommerhaus. Zufällig war ich in der Nähe und hörte plötzlich laute Schreie. „ Ihhhh, das ist ja widerlich!“ „Oh nein, alles voller Schleim, bähhh!“ „Was ist denn los?“, wollte ich wissen. „Schau dir doch die Schweinerei an; in unserem schicken Haus hat eine Nacktschnecke übernachtet“, antwortete „Glanzhaar“. „Da gehe ich nie wieder rein“; ergänzte „Schönbein“.

„Wieso das denn“, fragte ich. „Das kann man doch alles wieder sauber machen, mit etwas Zitronenmelisse und Blättern vom Spitzwegerich.“ „Niemals“, antworteten die beiden. „Mit dem Schleim wollen wir nicht in Berührung kommen.“ Und schon waren sie verschwunden. Ich trommelte ein paar Helfer zusammen und dann machten wir uns an die ,Arbeit.

Wir hatten schon einiges geschafft, als „Kurzschwanz“, eine Rötelmaus erschien .„Was macht ihr denn da?“, wollte sie wissen. Ich erzählte ihr was geschehen war. „Oh, kann ich da einziehen? Ich helfe euch auch beim Putzen.“ „Klar doch“, sagte ich. „Mein Bau ist nämlich von einer streunenden Katze verwüstet worden.“ Einige Zeit später war alles wieder blitzblank. „Könnt ihr mir noch helfen mein neues Zuhause unter den Wurzeln der Eiche zu verstecken“, bat sie uns. „Aber sicher!“

Gemeinsam zogen wir das Ding bis zur alten Eiche und versteckten es zwischen den Wurzeln. „Vielen Dank, so ein schönes Zuhause hatte ich noch nie“, freute sich „Kurzschwanz“. Wir teilten die glänzenden Möbel unter uns auf, da „Schönbein“ und „Glanzhaar“ ja kein Interesse mehr an ihnen hatten. So erhielt jeder von uns eine Belohnung für die geleistete Arbeit. Für mich war es ein schöner, runder Tisch mit einer glänzenden, kupfernen Platte.

Text: Michael Dodt, Illustrationen: Manuela Tolksdorf

Langer Tag der Stadtnatur 2024 bei uns auf dem Naturerlebnispfad Alraune

Wir bieten am Langen Tag der Stadtnatur 2024 drei Veranstaltungen an: „Leben im und am Wasser“, „Die Arbeit eines Imkers“ und „Wer checkt ein im Insektenhotel“. Bevor wir zu den Details kommen, erst einmal das wichtigste. Eine Anmeldung ist dringend erforderlich bei der Loki Schmidt Stiftung unter Telefon: 040/ 284 099 844 ab dem 27.5.24 täglich von 10 Uhr bis 15 Uhr bis zum 14.6.24 von 10 Uhr bis 12 Uhr. Oder online unter stadtnatur@loki-schmidt-stiftung.de, da geht es auch noch am 15.6.24

AL154

Sa, 15.06.2024, 10:00–12:00 Uhr

Leben im und am Wasser

Mit Kescher und Becherlupe wird geforscht

Auf und am Gelände des Naturerlebnispfades gibt es mehrere z. T. künstlich angelegte Gewässer. Mit Kescher und Becherlupe erforschst du das Leben in den stehenden Gewässern und wirst sicher fündig. Mit den zur Verfügung gestellten Materialien kannst Du selbst bestimmen, welcher Schatz Dir da ins Netz gegangen ist.

Veranstalter*in: Alraune gGmbH Ausbildungszentrum Garten- und Landschaftsbau Naturerlebnispfad

Altersempfehlung: 6–12

Ausrüstung empfohlen: Festes Schuhwerk, Wechselkleidung, Mücken- und Zeckenschutz, Gummistiefel

Kosten für Erwachsene: kostenlos

Kosten für Kinder: € 10

Anmeldung erforderlich!

  (Anmeldelink ab 27. Mai!)

AL155

Sa, 15.06.2024, 10:00–12:00 Uhr

Wer checkt ein im Insektenhotel?

Häufig wird vom Bienensterben gesprochen. Gemeint sind die Wildbienen. Hier kannst Du selbst aktiv etwas dagegen tun. Baue ein kleines Insektenhotel. Wir zeigen Dir, worauf Du achten musst, damit es erfolgreich besiedelt wird. Anschließend stellst Du Samenkugeln für Wildbienen und andere Insekten her. Beides kannst Du anschließend mitnehmen und in Deinem Stadtteil zum Einsatz bringen.

Veranstalter*in: Alraune gGmbH Ausbildungszentrum Garten- und Landschaftsbau Naturerlebnispfad

Treffpunkt: Naturerlebnispfad Alraune, Fabriciusstraße 225-231, 22177 Hamburg

Anfahrt: Bus 118 bis ‚Hallenbad Bramfeld‘

Leitung: Monika Kniep

Altersempfehlung: 6–12

Ausrüstung empfohlen: Festes Schuhwerk

Kosten für begleitende Erwachsene: keine (wir freuen uns über eine kleine Spende)

Kosten für Kinder: € 15

Anmeldung erforderlich!

  (Anmeldelink ab 27. Mai!)

AL 161

Sa, 15.06.2024, 10:00 – 12:00 Uhr

Die Arbeit eines Imkers

Auf dem Gelände des Naturerlebnispfades gibt es eine kleine Imkerei. Kinder können selbst in einen Imkeranzug steigen und mit der Imkerin hier vor Ort in ein Bienenvolk schauen. Sie lernen die einzelnen Bienenwesen und ihre Funktion im Bienenstock kennen. Natürlich darf auch Honig genascht werden.

Mit der Stichschutzkleidung (Imkeranzug) ist die Wahrscheinlichkeit eines Bienenstiches sehr gering. Dennoch kann es nicht ganz ausgeschlossen werden. Mit der Anmeldung erklären Sie, dass bei Ihrem Kind keine Bienengiftallergie bekannt ist.

Treffpunkt: Naturerlebnispfad Alraune, Fabriciusstraße 225-231, 22177 Hamburg

Anfahrt: Bus 118 bis ›Hallenbad Bramfeld‹

Altersempfehlung: 5–12

Ausrüstung empfohlen: Festes Schuhwerk

Kosten für begleitende Erwachsene: keine (wir freuen uns über eine kleine Spende)

Kosten für Kinder: € 15

Anmeldung erforderlich!

  (Anmeldelink ab 27. Mai!)

Zum Schluss noch einmal das Wichtigste: Eine Anmeldung ist dringend erforderlich bei der Loki Schmidt Stiftung unter Telefon: 040/ 284 099 844 ab dem 27.5.24 täglich von 10 Uhr bis 15 Uhr bis zum 14.6.23 von 10 Uhr bis 12 Uhr. Oder online unter stadtnatur@loki-schmidt-stiftung.de, da geht es auch noch am 15.6.24

Der unsichtbare Dieb

So, da bin ich wieder, „Weiser Weißbart“ mit einer neuen Geschichte für euch. Ich wollte mich gerade zu einem Mittagsschläfchen hinlegen, als ein helles Glöckchen ertönte. Es war überall in unserer Siedlung zu hören. Diese Musik kündigte die Ankunft der „Reisenden“ an, eines ganz besonderen Clans des „Kleinen Volkes“. Sie reisen auf den kurzen Wegen um die ganze Welt, immer dem Sommer nach.

Die kurzen Wege sind eigentlich Tore, durch die wir mit unserer Begabung von einem Ort ganz schnell zu einem anderen reisen können. Die „Reisenden“ sind sehr braungebrannt, da sie immer der Sonne nach reisen, die meisten von ihnen schlank, zumindest solange sie jung sind. Je älter sie sind, desto dicker werden auch ihre Bäuche. Sie betrachten das als schön und Zeichen von Wohlstand.

Da sie um die ganze Welt reisen, ist ihr Besuch eine große Sache. Sie bringen uns Dinge aus Gegenden, in die wir nie kommen. Dazu neue, fremdartige und spannende Geschichten, exotische Musik, Speisen und Getränke. So ungefähr alle 24 Monde besuchen sie unsere Siedlung, wenn die Musik ertönt, sind sie gerade durch das Tor gekommen. Jetzt dauert es noch so um die zwei Stunden, bis sie bei uns eintreffen.

Überall brach hektisches Treiben aus. Jeder suchte Dinge, die er bei den Reisenden gegen ihre Mitbringsel eintauschen wollte. Außerdem wurde gekocht, gebacken und Getränke abgefüllt, denn dieses Ereignis wurde mit einem großen Fest gefeiert, das meistens bis zum frühen Morgen dauerte. Tische und Bänke wurden aufgestellt, ein freier Platz zum Tanzen vorbereitet und eine Bühne aufgebaut.

Wir waren noch mitten in den Vorbereitungen, als die Reisenden mit ihren bunt bemalten Wagen eintrafen. Gezogen wurden sie von Borstengürteltieren, die zwar nicht sehr schnell aber stark und ausdauernd waren. Es gab ein lautes Hallo, viele Umarmungen und Küsschen zur Begrüßung. Am meisten Aufsehen erregte „Naseweis“, der früher einmal bei uns gewohnt hatte. Er gehörte zum Clan „Die auf Fröschen und Molchen reiten“, jetzt aber ritt er auf einem Tier wie es keiner von uns jemals zuvor gesehen hatte. Es war dreimal so lang wie wir groß, hatte riesige Augen, lange Beine und war leuchtend grün. „Das ist ein Namaqua-Chamäleon“, erklärte „Naseweis“ stolz. „Es kommt aus einem sehr weit entferntem Land.“

Die mutigsten von uns berührten sein Reittier behutsam, die Haut war ledrig aber auch sehr weich. Das Chamäleon schien die Streicheleinheiten zu genießen. „Es ist nicht sehr schnell aber sehr angenehm zu reiten“, ergänzte „Naseweis“. „Fast wie ein tiefes in sich gehen.“ „Schönbein“ und „Glanzhaar“ drängelten sich zu ihm durch. „Dürfen wir es auch mal reiten?“, baten sie ihn mit einem Augenaufschlag. „Aber gerne, wenn „Langzunge“ nichts dagegen hat.“ Er hatte nicht und die beiden kletterten mit leuchtenden Augen auf seinen Rücken. Lange dauerte das Vergnügen aber nicht, denn trotz aller Exotik war er den beiden zu langweilig.

Dann begann das große Tauschgeschäft. Überall wurde gefeilscht und verhandelt, mit großen Gesten aber auch viel Gelächter. Ich erstand für eine meiner selbstgeschnitzten Pfeifen ein Flöten ähnliches Musikinstrument aus dem Land des Chamäleons, „Bienentänzer“ tauschte seinen Honig gegen eine exotische Frucht, die Cherimoya hieß. Sie war so groß wie er und ihr gelbes Fruchtfleisch schmeckte sehr frisch und süß.

Nachdem viele Waren ihren Besitzer gewechselt hatten, wurde es Zeit für das Festessen. Die Tische bogen sich unter der Last der süßen und salzigen Speisen, auch viele verschiedene Getränke standen bereit. „Die Reisenden“ und wir saßen bunt gemischt auf den Bänken und ließen uns die vielen Köstlichkeiten schmecken. Auch die Borstengürteltiere wurden mit vielen Leckereien bedacht.

Plötzlich wurde es mir gegenüber laut. „Glanzhaar“ stritt sich mit einem der „Reisenden“. „Du hast den ganzen Kuchen alleine gegessen, das ist nicht sehr nett von dir!“ „“Wie soll ich das denn gemacht haben, der war doch viel zu groß?“, war die Antwort. „Weiß ich doch nicht, aber eben war er noch da und jetzt ist der ganze Teller leer!“

Auch an anderen Tischen entbrannten Streitereien, weil überall große Portionen süßer Speisen plötzlich verschwanden. Die fröhliche Stimmung kippte so langsam, statt Gelächter gab es immer mehr Gezänk. Ich stand auf und stellte mich etwas abseits hin, um aus einiger Entfernung alles zu beobachten. Aber ich konnte nichts entdecken, außer das eben noch volle Teller und Schalen mit Süßspeisen plötzlich leer waren. Das merkwürdige daran war, keiner von uns konnte solche Portionen so schnell verdrücken.

Gab es hier etwa einen unsichtbaren Dieb? „Ich glaube ich habe eine Idee, was hier vorgeht.“ Flechthaar stand plötzlich neben mir. „Schau mal nur auf das Chamäleon.“ Ich konnte das Chamäleon nicht entdecken. „Wo ist es denn?“, wollte ich wissen. „Da vor der großen Buche“, sagte „Flechthaar“ grinsend. Ich kniff die Augen zusammen. Tatsächlich! Aus dem Baum heraus schnellte eine lange Zunge, griff sich einen halben Kuchen und verschwand wieder im Baum. „Wie ist das möglich?“, wollte ich wissen. „Das Chamäleon kann seine Hautfarbe an seine Umgebung anpassen, deswegen sieht es jetzt aus wie die Rinde der Buche. Das hat mir „Naseweis“ erzählt.“

Wir machten uns auf den Weg zu dem „Reisenden“. „Magst du dein Reittier etwas weiter weg führen, wir bringen ihm auch genug zu essen“, bat ich ihn. „Sonst artet der Streit hier noch aus.“ „Aber sicher“, antwortete der „Naseweis“ etwas zerknirscht. „Es tut mir echt leid, eigentlich fressen seine Artgenossen Insekten und kleine Reptilien, aber „Langzunge“ isst am liebsten alles was süß ist.“

Nachdem wir für das Chamäleon abseits des Festes einen Platz gefunden hatten, entspannte sich die Stimmung wieder. Auch „Langzunge“ war zufrieden, denn vor ihm stand eine Riesenschale mit süßen Leckereien. Bald danach spielten die Musiker zum Tanz auf, und wir feierten zusammen bis zum Sonnenaufgang. So, das war’s für dieses Mal, bis bald mit einer neuen Geschichte.

Text: Michael Dodt, Illustration Manuela Tolksdorf

Erste Frühlingsboten – Die Gehörnten Mauerbienen

Kommen die ersten warmen Frühlingstage dann schwärmen sie aus – die Gehörnten Mauerbienen. Sie gehören zu den Wildbienen und ernähren sich von den Pollen und dem Nektar der ersten Frühblüher und sammeln fleißig Vorräte, um später damit ihre Brut zu ernähren. Dabei sind sie nicht wählerisch und nutzen alle Pflanzen, die gerade blühen.

Sie sammeln die Pollen und den Nektar mit Hilfe ihrer Bauchbürsten, an denen die Nahrung für den Transport haften bleibt.

Sie leben gerne in Hohlräumen und nutzen daher auch liebend gerne ein Insektenhotel, wenn ihnen diese Möglichkeit angeboten wird. Die größeren Weibchen sind 12 – 16 Millimeter lang und haben zwischen ihren Haaren am Kopf zwei Hörner, daher kommt ihr Name.

Und während die Gehörnten Mauerbienen fleißig am Boden arbeiten, zieht am Himmel eine Schar Kraniche nach der anderen mit ihren markanten Rufen gen Norden – noch mehr Frühlingsboten.

Text und Fotos Michael Dodt

Die kranke Füchsin

EPSON MFP image

Hallo, ich bin’s wieder, „Weiser Weissbart“ mit einer neuen Geschichte für euch.

Eigentlich wollte ich nur einen kurzen Spaziergang machen, um eine kurze Regenpause auszunutzen. Doch plötzlich hörte ich vom Rand des großen Hügels laute Stimmen. „Schaut mal, ich kann auf ihr herumtanzen.“ „Und ich kann sie sogar an ihren Barthaaren ziehen!“  Ich bog um eine Ecke und sah zwei Mäuse, die eine Füchsin ärgerten. Normalerweise hätten sie sich das niemals getraut, aber die Füchsin lag völlig reglos vor ihnen.

„Na, das ist aber nicht die feine Art“; sagte ich zu den Mäusen. Die erschraken vom Klang meiner Stimme und suchten sofort das Weite. „Dankeschön“, sagte die Füchsin mit kaum hörbarer Stimme. Mühsam öffnete sie ein Auge. „Was ist denn los mit dir, bist du krank?“ wollte ich wissen. Es dauerte einen Moment, bis sie antworten konnte. „Ich habe etwas falsches gefressen, da war wohl Riesengift drin“ antwortete sie ganz leise. Riesengift ist eine sehr üble Sache. Sie legen es aus, meistens um Ratten zu vertreiben. Es macht sehr krank und kann einen sogar umbringen.

Am liebsten hätte ich die Füchsin an einen trockenen Ort gebracht, aber sie war viel zu groß und schwer für uns vom „Kleinen Volk“. Aber ich kenne mich ganz gut mit Kräutern aus, also machte ich mich auf die Suche, um das Leiden der Weggefährtin zu lindern. Ich sammelte Tollkirsche, Schafgarbe, Kamille, Salbei, Frauenmantel und noch ein paar andere Kräuter, aus denen ich einen starken Sud kochte. Den flößte ich der Kranken vorsichtig ein. „Ich hoffe, das hilft dir, mehr kann ich leider nicht für dich tun.“ „Danke“, hauchte sie und schloss wieder ihre Augen.

Auf einem Ast saß „Schwarzfeder“, eine Rabenkrähe und hatte alles beobachtet. „Magst du eine Auge auf sie haben“, bat ich sie. „Ich schaue morgen wieder nach ihr.“ „Mach ich, wenn du mir als Belohnung einen halben Apfel bringst“, antwortete die Krähe. „Dann muss ich mir nichts zu essen zu suchen“, schloss sie mit einem schelmischen Zwinkern.

EPSON MFP image

Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf, kochte mir schnell einen Tee und machte mich dann auf den Weg zu meiner Patientin. Sie lag noch genauso da wie gestern. „Sie hat sich nicht gerührt, aber sie atmet noch“, bemerkte „Schwarzfeder“. „Dann mach ich mich mal auf den Weg“, sagte sie und wollte losfliegen. „Halt, bitte bleib‘ noch, ich glaube, ich brauche dich noch“, sagte ich schnell. „Na gut“, meinte die Krähe und streckte nur ihre Flügel aus, um ihre Muskeln zu lockern..

„Kannst du mich hören?“, fragte ich die Füchsin. Mühsam öffnete sie ein Auge: „Ja, aber mir geht es nicht besser“, murmelte sie kaum hörbar. Dann brauchen wir einen Plan B, dachte ich bei mir. Auch wenn es mir nicht leicht fällt das zuzugeben, hier wusste ich nicht mehr weiter. Ich grübelte vor mich hin, aber die einzige Idee, die mir kam, gefiel mir gar nicht. Doch es half nichts, da konnte nur noch „Zottelhaar“ helfen. Sie lebte alleine für sich in einer verzauberten Hütte, die auf sechs Stelzen laufen konnte. „Weißt, du, wo sich „Zottelhaar“ gerade aufhält“, fragte ich die Krähe. „Ja, aber muss das sein?“; wollte sie wissen. „Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl, wenn wir unsere Patientin retten wollen“, antwortete ich. „Na gut, ich fliege hin und hole sie“, antwortete sie. „Aber dafür schuldest du mir einen ganzen Apfel!“, und weg war sie.

„Zottelhaar“ machte ihrem Namen alle Ehre, ihr Äußeres war ihr völlig egal und sie mochte auch die anderen vom „Kleinen Volk“ nicht. Eigentlich mochte sie gar keine Gesellschaft. Aber sie  war die beste Heilerin weit und breit, und sie besaß sehr viel Kraft. Damit konnte sie meinen Sud verstärken so dass er die Füchsin wieder gesund machen würde. Hoffte ich jedenfalls. Die Riesen nennen das Magie oder Zauberei, aber bei uns heißt diese Fähigkeit einfach die Gabe. Alle vom „Kleinen Volk“ haben sie ein bisschen, aber „Zottelhaar“ besaß außergewöhnlich viel von der Kraft, die nötig war, um ihre Gabe zu nutzen.

EPSON MFP image

Bald kam „Schwarzfeder“ wieder angeflogen und landete über mir auf einem Ast. „Sie kommt gleich“, sagte sie. „Meinen Apfel hole ich mir dann später bei dir ab!“ Und weg war sie wieder. Es dauerte nicht lange, und ich hörte das typische Geklacker der Stelzenbeine von „Zottelhaars“ Haus. Es war schon ein bisschen unheimlich. Und seine Bewohnerin machte es nicht besser. Sie sprang aus ihrer Tür auf den Boden, ihre zotteligen braunen Haare flatterten um ihr Gesicht. Sie trug einen speckigen Mantel, ihr Gesicht war voller Ruß und Kalkfarbe. Ihre dunklen Augen schienen fast nur aus Pupillen zu bestehen.

„So, da bin ich. Was gibt es denn zu tun?“, wollte sie wissen. „Die Füchsin dort hat Riesengift gefressen. Ich habe ihr einen Kräutersud gemacht, aus Schafgarbe, Toll“ …. „Papperlapapp“, unterbrach sie mich. „Das will ich gar nicht wissen. Hol mir eine paar dünne Weidenzweige und dann geht’s los.“ Obwohl verärgert über ihre Unfreundlichkeit machte ich mich auf und brachte ihr die Zweige. „So, jetzt geh‘ mir aus dem Weg!“, befahl sie. Aus den Zweigen legte sie einen etwas eckigen Kreis um die Füchsin, holte aus den Beuteln an ihrem Gürtel einige Pulver, getrocknete Pflanzen und andere Sachen. Alles streute sie langsam sorgfältig auf den Weidenkreis.

EPSON MFP image

„So, das sollte wirken“, sagte sie zu sich selbst. Unvermittelt begann sie hüpfend um den Kreis zu tanzen, murmelte dabei einen schrägen Gesang. Nach fünf Runden stieß sie plötzlich einen schrillen Schrei aus, so dass ich mich schon sehr erschreckte. „Gut, das war’s. Nun bleibt nur noch meine Bezahlung zu klären.“ Sie zog ein scharfes Steinmesser aus ihrem Gürtel und ging zum Schwanz der Füchsin. „Hey, was hast du vor?“, wollte ich wissen. „Ich nehme mir ein dickes Büschel ihrer roten Schwanzhaare für einen Mantel oder eine Decke.“ Ich blieb still, denn niemand diskutierte mit „Zottelhaar“ über ihre Bezahlung.

„Naja, besser ein Loch im Schwanzfell als todkrank“, dachte ich bei mir. Und schon kletterte die Heilerin in ihre Hütte und klackerte davon. Tatsächlich ging es der Füchsin am nächsten Tag etwas besser und noch drei Tage später konnte sie wieder springen und laufen wie vor dem Riesengift. „Vielen Dank für deine Hilfe“, sagte sie mit einem schelmischen Grinsen. „Du hast mich gerettet, auch wenn meine Schönheit etwas gelitten hat.“

Da hatte sie recht, immerhin war alles gut ausgegangen. So, das war’s für dieses Mal, bis bald mit einer neuen Geschichte.

Text: Michael Dodt, Illustration Manuela Tolksdorf