Das etwas andere Spinnenetz

Da bin ich wieder, „Weiser Weißbart“, mit einer neuen Geschichte für euch. Ich hatte gerade meinen Nachmittagstee ausgetrunken, als ich plötzlich an „Baumeisterin“, die Gartenkreuzspinne, denken musste. Gestern hatte sie sich mal wieder gehäutet, denn so wachsen die Spinnen. Ich machte mich auf den Weg zur Leckerwiese, um zu sehen, wie es ihr so ergangen war.

Bevor ich sie überhaupt sehen konnte hörte ich schon ihre Stimme. „Oh nein, wie konnte das nur mir passieren“, klagte sie. „Jetzt bin ich keine richtige Spinne mehr und werde verhungern!“ Ich ging zu ihr: „Was ist denn los, alte Freundin?“, fragte ich sie. „Wird die neue  Haut nicht trocken?“ „Doch schon, das ist es nicht“, antwortete sie. „Aber ich kann keine Spinnfäden zum Netzbau mehr machen!“

„Wie kann das denn sein, von so etwas habe ich ja noch nie gehört“, sagte ich ratlos. „Ich weiß es auch nicht, aber ich kann nur noch die Klebetröpfchen erzeugen.“ Spinnen fangen ihre Nahrung in einem Netz, das sie selber herstellen.  An speziellen Fäden mit den Klebetröpfchen bleiben die Fliegen und anderen Insekten hängen, von denen sich die Spinne ernährt. Aber ohne Netz nutzten auch die Klebetröpfchen nichts. „Hmmm, lass mich mal in Ruhe nachdenken, mir fällt bestimmt etwas ein“, versuchte ich sie zu trösten.

Ich ging zurück nach Hause und zerbrach mir den Kopf, aber es dauerte dieses Mal echt lange, bis mir etwas einfiel. „Baumeisterin“ hätte sich natürlich mit einer anderen Spinne zusammentun können, aber leider sind Spinnen absolute Einzelgänger. Dann kam ich auf den Clan „Die auf Fröschen und Molchen reiten“. Sie konnten sehr feine Kleidungsstücke herstellen, meist aus Pflanzenfasern. Wollgrasfasern waren die Lösung! Vor allem, wenn sie erst von den „Steinernen“ so bearbeitet wurden, das sie fast durchsichtig waren.

Ich ging zu „Kieselgrund“ und fragte ihn, ob er das machen könnte. „Ja klar, es wird aber mehr als einen Tag dauern.“ „Sehr schön“, freute ich mich, und machte mich auf den Weg, um mit Hilfe einiger Freunde genügend Wollgras zu sammeln. Das brachten wir zu dem „Steinernen, der sich sofort an die Arbeit machte. Danach machte ich mich auf  zu „Schönbein“ und „Glanzhaar“. Ich erzählte ihnen von meinem Plan um die Spinne zu retten. „Schön“, sagte „Glanzhaar“, „aber was haben wir damit zu tun?“ „Ihr beiden könntet für „Baumeisterin“ ein feines Netz aus den Pflanzenfasern weben, damit sie sich wieder ihr Essen fangen kann“, schlug ich vor.

„Na gut, aber erst morgen, heute haben wir schon mehr als genug zu tun“, willigte „Schönbein“ ein. Ich war sehr erleichtert, denn die beiden konnten manchmal etwas schwierig sein. Daher wollte ich auch gar nicht wissen, was sie denn heute so wichtiges zu tun hatten. Außerdem war „Kieselgrund“ eh erst morgen mit seiner Vorarbeit fertig.

Sodann machte mich auf, um der Spinne die guten Nachrichten zu überbringen. „Das ist toll“, freute sie sich. „Vielen Dank für deine Hilfe, und die der anderen.“ „Spätestens morgen Mittag hast du ein neues Spinnennetz, das noch dazu sehr lange haltbar ist, also bis morgen“, verabschiedete ich mich. „Schlaf gut“, antwortete „Baumeisterin“.

Am nächsten Morgen machte ich mich mit ein paar Helfern auf zu den „Steinernen“, um das bearbeite Wollgras abzuholen. Gemeinsam brachten wir es zu „Schönbein und „Glanzhaar“. „Ich hoffe, das Zeug stinkt nicht“, sagte die eine. „Sonst rühren wir es nicht an“, fügte die andere hinzu. Aber es war alles in Ordnung und die beiden versprachen mir, das Netz zu weben und auf der Leckerwiese auf zu hängen.

Ich ließ den beiden genügend Zeit für ihre Aufgabe, bevor ich die Spinne holen ging.  „Unglaublich“, freute sie sich. „Das sieht ja fast so aus als hätte ich es mit den Fäden aus meinem Leib selber gesponnen.“ „Na ja, wir haben eben viele Talente“, antwortete „Schönbein“. „Das war eine Kleinigkeit für uns“, ergänzte ihre Freundin. „Aber jetzt müssen wir ganz schnell los!“  „Vielen Dank euch allen“, sagte „Baumeisterin“ noch, aber ich glaube nicht, das die beiden das noch hören konnten.

Sie kletterte in ihr neues Netz und begann einige Fäden mit Hilfe ihrer Klebetröpfchen in Fangfäden zu verwandeln. Ich schaute ihr noch einige Zeit zu, bevor ich mich auf den Weg nach Hause machte. „Tschüß und viel Erfolg“, verabschiedete ich mich, aber sie war so konzentriert bei ihrer Arbeit, das sie mich nicht hörte. Erfreut, ihr geholfen zu haben, schlenderte ich durch die Abendsonne und freute mich auf einen ruhigen Abend.

So, das war’s mal wieder, bald gibt es eine neue Geschichte.

Illustrationen: Manuela Tolksdorf, Text: Michael Dodt