Ein seltsamer Fund

Da bin ich wieder, „Weiser Weißbart“, mit einer neuen Geschichte für euch. Vor ein paar Tagen war ich mit einer Schubkarrenladung Frühblüher wie Schneeglöckchen, Märzensbecher und Narzissen auf dem Weg zu einem Freund, um damit seinen Garten zu verschönern. Plötzlich hörte ich Stimmen: „Was ist das denn für ein Ding?“ „Ich habe keine blasse Ahnung!“ Auf einem niedrigen Ast saß „Rundauge“, ein Waldkauz, vor ihm untersuchte „Langnase“, ein Igel, einen merkwürdig aussehenden Gegenstand. „Das riecht nach Leder“, sagte der Igel. „Und nach Riesen.“

Ich ließ die Schubkarre stehen und ging zu den beiden. „Darf ich mal schauen, ich glaube, ich habe so etwas schon einmal gesehen.“ „Aber ja“, antworteten die beiden. Ich untersuchte den Fund, der etwas doppelt so breit und lang war wie ich groß. Als ich auf seine Mitte drückte, stellte ich fest, dass er mit vielen recht harten Sachen gefüllt war. „Hmm, ich glaube ich weiß was das ist“, stellte ich fest. „Eine Geldbörse der Riesen. Aber wie geht das Ding auf?“ „Vielleicht hier an den Metallhaken, die kann man bestimmt auseinander ziehen“, sagte „Rundauge“. „Gute Idee“, antwortete „Langnase“. „Aber das schaffe ich mit meinen Pfoten nicht.“ „Dann lass es uns zusammen versuchen“, schlug ich vor. „Mit meinen Händen und deiner Kraft sollten wir es schaffen.“

Gesagt getan, und schnell war das Ding offen. Wir rüttelten ein bisschen daran herum und schon purzelten runde, teils glänzende und teils matte flache Scheiben heraus. „Wozu sind die denn gut?“, fragte der Waldkauz. „Ich glaube, die Riesen nennen das Münzen und tauschen es gegen Dinge ein, die sie brauchen“, antwortete ich. „Komische Art, aber halt Riesen“, kommentierte er. „Och sind die schön“, freute sich „Glanzhaar“. „Zumindest die funkelnden“, ergänzte „Schönbein“. Unbemerkt hatten sich die beiden aus dem Clan „Die auf Fröschen und Molchen reiten“ zu uns gesellt. „Daraus kann man tolle Möbel machen“ sagte die eine. „Und Spiegel, in denen wir uns bewundern können“, fügte die andere hinzu. „Und das Ding können wir als Sommerhaus für uns nutzen. Dürfen wir es haben?“ „Von mir aus“, antwortete der Igel. „Wenn ihr mir dafür im Herbst ein behagliches Winterquartier aus Laub und Moos baut.“ „Aber gerne doch“, stimmten die beiden Schönheiten zu.

Nachdem ich meine Blumen abgeliefert hatte, luden wir die matten Münzen auf die Schubkarre und transportierten sie zu den „Steinernen“, die sie auf Hochglanz polierten. Sie bauten auch die Möbel für die beiden Frauen. Nach ein paar Tagen war alles fertig, das Sommerhaus wurde zum kleinen Krautteich gebracht und die beiden richteten alles nach ihren Wünschen ein. „Heute ist es schon etwas zu spät“, stellte „Schönbein“ fest. „Aber morgen Abend seid ihr alle zu einem Fest eingeladen“, sagte „Glanzhaar.

Nachdem die beiden die Nacht in ihren Wohnungen verbracht hatten, machten sie sich gegen Mittag auf dem Weg zu ihrem Sommerhaus. Zufällig war ich in der Nähe und hörte plötzlich laute Schreie. „ Ihhhh, das ist ja widerlich!“ „Oh nein, alles voller Schleim, bähhh!“ „Was ist denn los?“, wollte ich wissen. „Schau dir doch die Schweinerei an; in unserem schicken Haus hat eine Nacktschnecke übernachtet“, antwortete „Glanzhaar“. „Da gehe ich nie wieder rein“; ergänzte „Schönbein“.

„Wieso das denn“, fragte ich. „Das kann man doch alles wieder sauber machen, mit etwas Zitronenmelisse und Blättern vom Spitzwegerich.“ „Niemals“, antworteten die beiden. „Mit dem Schleim wollen wir nicht in Berührung kommen.“ Und schon waren sie verschwunden. Ich trommelte ein paar Helfer zusammen und dann machten wir uns an die ,Arbeit.

Wir hatten schon einiges geschafft, als „Kurzschwanz“, eine Rötelmaus erschien .„Was macht ihr denn da?“, wollte sie wissen. Ich erzählte ihr was geschehen war. „Oh, kann ich da einziehen? Ich helfe euch auch beim Putzen.“ „Klar doch“, sagte ich. „Mein Bau ist nämlich von einer streunenden Katze verwüstet worden.“ Einige Zeit später war alles wieder blitzblank. „Könnt ihr mir noch helfen mein neues Zuhause unter den Wurzeln der Eiche zu verstecken“, bat sie uns. „Aber sicher!“

Gemeinsam zogen wir das Ding bis zur alten Eiche und versteckten es zwischen den Wurzeln. „Vielen Dank, so ein schönes Zuhause hatte ich noch nie“, freute sich „Kurzschwanz“. Wir teilten die glänzenden Möbel unter uns auf, da „Schönbein“ und „Glanzhaar“ ja kein Interesse mehr an ihnen hatten. So erhielt jeder von uns eine Belohnung für die geleistete Arbeit. Für mich war es ein schöner, runder Tisch mit einer glänzenden, kupfernen Platte.

Text: Michael Dodt, Illustrationen: Manuela Tolksdorf